12. März 2015: Ach, du Scheiße!

 

Ach, du Scheiße!

 

Ich sitze vor meinem Rechner und starre paralysiert auf den Bildschirm. Eigentlich kann ich es gar nicht fassen.

 

Wie konnte das passieren? Wieso bin ich auf die Schnapsidee gekommen, ein Buch über einen Therapeuten und seine Klientin zu schreiben? Hab‘ ich sie noch alle? Brauche ich vielleicht selbst einen professionellen Versteher, der mir die Welt erklärt, damit ich nie wieder so etwas Dummes tue?

 

Ich frage mich ernsthaft, wer mir diese Story abnehmen soll, an der ich seit Wochen arbeite. Ein Buch über ein Psycho-Thema! Über so etwas dürfen doch bestimmt nur Psychologen und Psychotherapeuten schreiben! Oder wenigstens Heilpraktiker und Life-Coaches! Aber doch nicht irgendwer!

 

Gut, ich habe ein Pädagogikstudium und jahrelange Praxiserfahrung im Umgang mit interessanten Menschen. Außerdem bin ich therapieerfahren und habe diverse Coaches kennengelernt, weiß also irgendwie schon, wovon ich rede. Und schließlich ist es kein Sachbuch über Seelenkunde und Therapieansätze, das ich schreibe, sondern ein Roman! Trotzdem: Muss man, um einen Roman zu schreiben, der zu einem nicht unerheblichen Teil in psychotherapeutischen Sitzungen situiert ist, nicht offiziell berufen sein? Am besten mit Titel?

 

Stöhnend breche ich über meiner Tastatur zusammen. Mannmannmann! Hocke ich schon wieder auf einem Pferd, das längst krepiert ist, ohne dass ich es merkte?

 

Ich lasse meine hoffnungsvollen literarischen Versuche der letzten Monate Revue passieren. Zuerst verfasste ich in meinem Wahn Kolumnen in dem Glauben, dass vielleicht irgendein Volontär oder Praktikant sie zufällig liest, weil in der Redaktion gerade niemand etwas anderes für ihn zu tun hat: Schließlich kocht der Automat den Kaffee selbstständig, der Kopierer ist sowieso kaputt und die Orchidee des Chefredakteurs muss nur einmal wöchentlich gegossen werden. Dabei muss ich vermutlich davon ausgegangen sein, dass ich den Prakti wegen seiner jugendlichen Unbedarftheit so sehr für meinen Stil begeistern kann, dass er meine Entwürfe einer Festangestellten unterjubelt, die wiederum just in diesem Moment einen Anruf von ihrer freischaffenden Kollegin erhält, die mitteilt, dass sie von Außerirdischen entführt wurde und das Blatt deshalb eine neue Kolumnistin braucht. Natürlich gibt es für solche Fälle auch keinen Ersatzschreiberling und überhaupt gibt man ja gerne Leuten, von denen man noch nie gehört hat, eine Chance! Nach diesem erfolglosen Versuch hatte ich dann keine bessere Idee, als einen Roman zu schreiben, der Ähnlichkeiten mit meiner Lebensgeschichte aufweist, und den ich deshalb überhaupt nicht veröffentlichen will. Auch das war ziemlich schlau! Und jetzt schreibe ich als Psycho-Laie ein Buch, das in großen Teilen in Therapiesitzungen spielt, und glaube ernsthaft, dass jemand so etwas von mir lesen will.

 

Was mache ich hier eigentlich?

 

Wenn ich darüber hinaus lese, was ich bislang niedergeschrieben habe, werden meine Zweifel noch größer! Okay, das dritte Kapitel ist locker formuliert und liest sich geschmeidig. Das gefällt mir! Aber schon im nächsten werde ich wieder sooo kompliziert! Da holt mich mein eigenes Gewäsch nicht ab! Außerdem finde ich, dass ich manchmal ätzend moralisch werde. Oder bilde ich mir das ein? Überhaupt Therapiegespräche! Wer liest so etwas?

 

Ich weiß es nicht. Ich weiß gerade gar nichts. Vielleicht fehlt mir die Distanz zu meinem Manuskript? Vielleicht ist es auch ganz normal, wenn ich eine Textstelle nach dem fünften Überfliegen nicht mehr zum Lachen finde und sollte das ignorieren? Schließlich kenne ich den Witz mittlerweile. Ein unvoreingenommener Leser könnte sich dennoch darüber abrollen, oder?

 

Aber was ist, wenn der Witz tatsächlich witzlos ist? Brauche ich jetzt vielleicht einen theoretischen Exkurs darüber, was witzig ist beziehungsweise woraus das Witzige an Witzen besteht? Kann das helfen oder werde ich schon wieder zu theoretisch?

 

Ich habe keine Ahnung, wie richtige Schriftsteller das empfinden, aber ich finde, ein Buch zu schreiben ist gar nicht so einfach. Selbst dann nicht, wenn es schon das zweite ist!

 

Nachdem mir Suse M. aus G. freundlicherweise ein Foto von einer Schwertlilie zur Verfügung stellte, die ich zur Illustration des Blogeintrags angefragt hatte, bemerkte ich, dass ich dieses zauberhafte Gewächs mit einer Pflanze namens „Bogenhanf“ verwechselt habe. Da ich nun kein zweites Mal einen freundlichen Leser versehentlich in die Irre schicken wollte, habe ich aus der Schwertlilie, die vorher das Büro des Chefredakteurs zierte und die eigentlich ein Bogenhanf ist, nun eine Orchidee gemacht. Auch so etwas wird gerne in Büros genommen, auch wenn dieses Exemplar schon etwas mitgenommen aussieht – eben wie im wahren Leben:-)